Von Luftballons und Schaumbechern

Das Thema „Fußball“ beherrscht unseren Alltag. Kaum eine Begegnung, bei der mir nicht so etwas die „Beileid“ ausgesprochen wird. Und weil es ein gar so tiefes Tief ist, in das wir da geraten sind, mag es auch erlaubt sein, die Ursachenforschung wieder einmal zu thematisieren. Sonderbar sind folgende Beobachtungen
  • Unsere Mannschaft spielte in den ersten Wochen dieses Jahres, als gäbe es keinen Zweifel an einem Titel. Von wo kam diese Spielfreude?
  • Etwa ab dem Heimspiel gegen Trencin ging es aber kontinuierlich bergab. Woher kam der Einbruch?
  • Die Notbremse des zweiten Trainerwechsels brachte nichts; im Gegenteil, das Punktemittel erreicht historische Tiefststände. Warum hat auch ein Trainer, der von den meisten außer Streit gestellt wird, keinen Erfolg?
  • Die Kündigung von Zoki war ein Schock für uns alle. Wer fragt nicht, wie es wohl gewesen wäre, könnten wir noch auf Zoki zählen?
  • Was, wenn es einfach nur Zufall ist? (Diese These mag niemand so recht glauben aber es gibt Literatur mit sehr vielen konkreten Beispielen, etwa das neue Buch von Florian Aigner: „Der Zufall, das Universum und Du“. Wer sich für Zufall im Fußball interessiert, dem sei das Buch Metin Tolan „Manchmal gewinnt der Bessere“ empfohlen.)
Nun, es kann schon beim (jeweils) nächsten Spiel wieder aufwärts gehen und wir werden dieses Tal rasch vergessen. Aber die Fragen nach dem Warum bleiben. Und wenn die Fragen ohne Erklärung bleiben, hätte man nicht einmal etwas für die Zukunft gelernt. Wenn man die verschiedenen Kommentare liest: Hast Du nicht auch den Eindruck, dass eigentlich niemand (und das meine ich vom Präsidenten abwärts alle Analytiker der Medien mit eingeschlossen) eine schlüssige Antwort für die Situation geben kann. Wahrscheinlich, weil es keine gibt. Derzeit tendiere ich zu folgender (Kurz)Interpretation:
  • Das neue Stadion war wie ein Adrenalinschub, daher die Anfangserfolge
  • Der Einbruch war eine Reaktion des Teams auf den Verlust eines Kumpels
  • Wir wissen nicht, was alles einen Einfluss darauf hat, dass Schüsse nicht den Weg ins Tor finden und Spiele nicht gewonnen werden, aber die Ursachen können auch in scheinbar Zusammenhanglosem zu finden sein, daher die „Luftballons und die Schaumbecher“ – und im enormen Erwartungsdruck, dem die Mannschaft nicht standgehalten hat.
  • Um mit dem neuem Trainerstil wieder in die Spur zu finden, müssen alle Veränderungen der Jahre 2016 zur Selbstverständlichkeit werden und das braucht einfach Zeit. Lernen bedeutet Veränderung und die kann oft mühsam sein und daher wenden sich Lernende gerne unbewusst gegen solche Veränderungen.
  • Schließlich kann alles auch nur reinter Zufall sein.
Die etwa längere Interpretation

Adrenalin Stadion

Die Stadionerföffnung war wie ein Adrenalinstoß. Ein Ereignis, das alle – aber natürlich insbesondere die Mannschaft – sehnsüchtig erwartet haben. Und dieses momentane Glücksgefühl bescherte uns die tollen Spiele in der Anfangsphase, sicherte uns die Gruppenphase der Euro-League und wahrscheinlich auch den heurigen Klassenerhalt (aber angesichts der großen Zahl der noch ausstehenden Runden, ist das eine ziemlich verfrühte Behauptung). Und vor allem überdeckte die Stadionerföffnung alle anderen Zweifel über Entscheidungen, die sich uns und der Mannschaft in dieser Zeit gestellt haben. Das Stadion spielte Fußball – aber nur kurz. Wie das so bei Adrenalinausschüttungen ist, irgendwann sind sie verbraucht und die Realität wird mehr und mehr wahrgenommen wie sie ist.

Ausnahmesituation für den Verein

Andy Marek hat immer wieder erwähnt, dass er noch kein so intensives Jahr wie das das 2016 erlebt hat. Klar, es war das Jahr der Stadioneröffnung und es mussten extrem viele Dinge getan und extrem viele Dinge entschieden werden. Das betraf die ganze Belegschaft von Rapid. Und man hatte für diese punktuelle Herausforderung nicht den erforderlichen Personalstand. Also waren alle uns bekannte Akteure mehr als belastet, sie waren überlastet. Entscheidungen über Rapid-Marie und Klopapier überdeckten das Sportliche. Und durch diesen Handlungsdruck wurden gewisse Dinge, wie die Ablöse von Zoki, kurzerhand delegiert und wahrscheinlich wurde überhaupt die sportliche Seite als ein Selbstläufer betrachtet, was für die ersten Spiele sogar gestimmt hat. Selbstläufer deshalb, weil wahrscheinlich wir alle der Meinung waren, dass alles für einen Titel angerichtet war.

Neuer Besen

Die Trainerablöse im Juni bedeutete für das Team wahrscheinlich eine größere Umstellung, als man das im Juni 2016 hätte vermuten können. Man muss bedenken, dass Zoki eine vergleichsweise lange Zeit Trainer war. Er gehört zu den 10 Trainern, die diesen Posten in der Rapid-Geschichte am längsten bekleidet haben. Dazu kommt, dass er vor dieser Zeit die meisten der heutigen Akteure auch in der Amateurmannschaft betreut hat und es gibt Spieler, die überhaupt nur Zoki als Trainer kannten. Es kann nun nach einem solchen Urgestein kommen, wer will; das Vertrauen, das Zoki beim Team hatte, das kann ein Neuer nicht so ohne Weiteres erben. Ich weiß nicht, wie andere das empfinden aber ich habe das Gefühl, dass uns mit Zoki eine wichtige Vertrauensperson abhanden gekommen ist und das noch in einer Art und Weise, die ganz entgegen der vorgetragenen Kanzelpredigt, eine Rapid-Famile zu sein, gerichtet war. Dieses Gefühl hatten wahrscheinlich auch die Spieler. Und der Nachfolger mag nun sympathisch, kompetent und korrekt sein aber die instinktive Ablehnung über den Verlust eines Kumpels wendet sich gegen den Neuen, und könnte ein Motiv für Misserfolg sein. Ich erinnere mich an Freudenszenen nach Toren; dass Spieler auf Zoki zugelaufen sind und ihn spontan umarmt haben, so als würden sie zum Ausdruck bringen, dass sie dieses Tor für den Trainer geschossen haben. Und das ist kein geringes Motiv, weil jede Form von Arbeit immer für andere gemacht wird. Und die nächsten Personen sind das Trainerteam, allen voran der Cheftrainer und nicht von ungefähr gehen die Spieler nach jedem Spiel zu den Rängen, denn natürlich spielen sie auch für ihre Anhänger. Diese Beziehung haben Zokis Nachfolger noch lange nicht aufgebaut. Und weil Rapid eine sehr junge Mannschaft hat, ist der Umstand, dass die meisten der Jungen durch Zoki fußballerisch sozialisiert worden sind, ein ganz wichtiger Faktor, der für die Zeit ab dem Trencin-Heimspiel sehr wichtig geworden ist. Trencin war wie die erste Einsicht, dass es dieses Miteinander in der früheren Form nicht mehr gibt. Nach meinem Eindruck war die Mannschaft der ersten Begegnungen noch die Mannschaft von Zoki und erst im Laufe der ersten Wochen wurde der Mannschaft bewusst, was alles sich eigentlich in ihrem Alltag verändert hat, etwa die eigentümliche Abhalfterung von Sonnleitner und Hofmann, zweier Spieler, mit hohem Ansehen. Die Trainingsmethoden dürften ein weiteres Teil dazu beigetragen haben, dass die frühere Spielfreude ziemlich rasch verschwunden ist und erst langsam (in den Spielen zuletzt, gegen RB und Sturm) wieder an die Qualität der Begegnungen im Jahr 2015 anschließt.

Der Trainer allein, kann’s nicht gewesen sein

Nehmen wir an, Büskens wäre ein schlechter Trainer gewesen. (Bitte nur als Hypothese zu verstehen.) Was in diesem Fall sehr irritiert, ist der Umstand, das bei einer tatsächlich schwachen Trainerleistung von Büskens sich die Situation unter Canadi nicht schlagartig verändert hat (im Sinne eines Trainereffekts), denn wenn Büskens einen großen Anteil an den Misserfolgen gehabt hätte, müsste doch der Wechsel eine Erleichterung in der Mannschaft bewirkt haben. Dass das überhaupt nicht der Fall war (die Ergebnisse von Canadi sind ja sogar schlechter als jene unter Büskens), kann man so interpretieren, dass die Mannschaft auch mit Canadi noch nicht zurechtkommt (oder umgekehrt).

Rapid kann nur ein Kumpel trainieren

Wir erinnern uns alle noch an die glücklose Zeit mit Georg Zellhofer und den damals prophetischen Sager von Pasching-Präsident Grad, „der Schurl kann nur Pasching trainieren“. Könnte es nicht sein, dass diese Weissagung für Rapid in unangenehm umgekehrter Weise gilt: „Rapid kann (derzeit) nur von einem Kumpeltrainer trainiert werden“ und die Spieler gegen eine sachlichere, vielleicht professionellere, aber weniger kumpelhafte Behandlung instinktiv zurückhaltend reagieren und nicht zu früherer Spielfreude zurückfinden, einfach, weil sie zu ihrem jeweils neuen Trainer nicht denselben innigen Kontakt finden. Und die Zeit mit Zoki war eine sehr lange.

Unvorhersagbares Chaos

Wir fragen uns, warum Schüsse nicht ihren Weg ins Tor finden. Was dazu fehlt, sind Kleinigkeiten. Der Fuß müsste nur um Millimeter anderswie den Ball getroffen haben und schon wäre das Erfolgserlebnis da. Aber woher kommen diese Nuancen? Zwischen allen Mikro-Ereignissen im Stadion und der Situation am Spielfeld besteht ein Zusammenhang. Ein völlig unbekannter Zusammenhang. Ganz besonders deutlich wurde es bei einem Spiel, bei dem sich ein Eichhörnchen auf den Rasen verirrt hat und den Spielfluss verändert hat (oder ein verirrter Luftballon, oder ein irritierender Böllerwurf…). Alles, was in einem möglichen kausalen Zusammenhang mit dem Geschehen am Spielfeld steht, beeinflusst. Aber wir wissen nicht wie. Es sind wahrscheinlich überhaupt nur Kleinigkeiten, die zum Erfolg fehlen. Aber welche? Das Spiel ist ein hoch-chaotisches Geschehen. Wie ein Krieg. Nichts ist vorhersagbar, speziell, wenn ein Gegner am Platz ist. Alles, was trainiert wurde, kann sich durch Cleverness des Gegners schon im Ansatz ganz anders entwickeln. Die Chaostheorie mischt kräftig mit. Was wir am Spielfeld erleben, würde so nicht passieren, wenn auch nur Kleinigkeiten im Umfeld anders wären; allein, wir wissen nicht, welche das sind. Und diese Kleinigkeiten sind Dinge die völlig unbemerkt passieren oder nicht passieren. Es sind ganz sicher nicht die großen Dinge, die man ändern muss; aber es sind viele Kleinigkeiten. Und im Falle unseres Umzugsjahres ist es einfach nur Zeit, die wir alle brauchen, um das neue Stadion so selbstverständlich als neue Heimat zu verstehen wie das im alten der Fall war. Und im Zuge dieses Zeitbedarfs müssen wir leider diese Saison abhaken. In der Chaostheorie wird der berühmte Schmetterling zum Auslöser eines Wirbelsturms, im Fußball mögen es Luftballons oder Schaumbecher sein; oder dass Du und ich im Stadion sind – oder nicht sind. Niemand weiß. Christian sagt oft, es wäre besser, ich würde bei Auswärtsspielen nicht mitfahren, denn dann würde Rapid vielleicht eher gewinnen. Und wer weiß, vielleicht hat er damit nicht unrecht. Allerdings hätte es im Spiel gegen Graz rein gar nichts gebracht:-) Aber dadurch dass diese Kleinigkeiten passieren, verläuft das Spiel einfach anders. Zufälle passieren, aber zu unseren Ungunsten. Daher ist es so wichtig, dass alle „Zutaten“ stimmig sind. Dass Spieler gewinnen wollen. Wenn schon nicht für sich selbst (sie selbst brauchen das nicht, sie haben schon gewonnen, denn sie werden ja hoch bezahlt), dann wenigstens für den Trainer oder auch für die Fans. Aber wenn diese Schnittstellen zum Trainer oder zu den Fans nicht funktionierten, wofür solle man dann siegen? Das folgende Video zeigt das Prinzip „Kleine Ursachen, große Wirkungen“.

2016, das Jahr der Veränderungen

Die Menge der Änderungen im Jahr 2016, die uns alle – und das Team ganz besonders – betraf, ist sehr groß. Von all diesen Dingen nenne ich nur zwei Kleinigkeiten: die Luftballons und die Schaumbecher. Man wollte alles besser machen und die Gelegenheit der Übersiedlung dazu nutzen und um ja nicht als Umweltverschmutzer genannt zu werden hat man sich von der bisherigen Luftballon-Aktion distanziert, indem man die Protagonisten, den „Stehtisch Grün-Weiß“, einfach nicht mehr eingeladen hat. Ebenso hat die Catering-Firma nicht auf das bisherige, zwar bescheidenere aber in Details ziemlich einzigartige Angebot, wie eben jenes der Schaumbecher, geachtet. Das folgende Bild zeigt im Hintergrund mehr als 600 Bilder der Luftballon-Aktion des „Stehtisch Grün-Weiß“ im Zeitraum 2004 bis 2016 sowie die leider nicht mehr erhältlichen Schaumbecher. Es gehörte zu den Fixpunkten eines Spieltages, dass ich meiner Frau einen dieser Schaumbecher mitgebracht habe. Das ist lange vorbei. Und noch immer stört es mich. Erst, wenn wie die Fahnenparade am Beginn eines Heimspiels und der Apfelstrudel an den Kiosken als mehr selbstverständlich gesehen werden als die Luftballons und die Schaumbecher, wird vielleicht auch die Leichtigkeit im Spiel von Rapid wieder zurückkehren. Aber ich meine die Luftballons und Schaumbecher natürlich nur stellvertretend für viele andere Dinge, die alle Veränderung bedeutet haben, die wir als Zuschauer gar nicht wissen, und die alle auf die Mannschaft eingewirkt haben und immer noch einwirken. Zoki nannte es „Kälte“. Und es wird noch einige Zeit vergehen, bis uns alles das Neue so vertraut sein wird, wie es das im Hanappi-Stadion war und wie es für viele auch die Pfarrwiese noch ist. Es ist einfach die Zeit, die diese Veränderungen wieder zur Selbstverständlichkeit machen wird. Und erst, wenn sich diese Selbstverständlichkeit beim Umgang der Mannschaft mit dem neuen Trainerteam eingestellt hat, wird auch Erfolg zurückkehren.

Ein goldener Käfig

Die Vereinsverantwortlichen betonen, was man alles bereitet hat, um endlich den so ersehnten Meistertitel einfahren zu können. Die Finanzen sind geordnet, das Stadion ist neu, der Trainer natürlich auch und jetzt liege es nur mehr an der Mannschaft, die Ernte einzufahren. Man kann als Rapid-Anhänger gar nichts dagegen einwenden; es musste geradezu so sein. Aber alles das ist wie ein goldener Käfig – der keine Tore schießt. Als Jacqueline, die Tochter des Baumeisters Lugner geboren wurde (etwa 1990), berichtete die Regenbogenpresse über einen vergoldeten Kinderwagen, der angeschafft wurde. Aber dieser Kinderwagen stärkte mehr das Ego der Eltern als dass er die Entwicklung des Kindes begünstigt hätte. (Ich erinnere mich deshalb an diese Begebenheit, weil damals unser Florian auch im Kleinkindesalter war und man sich natürlich als Eltern fragt, ob man eh alles richtig macht und bei dem vergoldeten Kinderwagen waren wir sicher, dass wir wenigstens diese Probleme nicht haben.) So ähnlich ist es mit dem Stadion. Der Verein hat uns und dem Team ein Stadion errichtet (bei dem nirgendwo Wasser hineinrinnt) und erwartet ähnlich wie Lugner, dass ein vergoldeter Käfig genügt, um vom Kind/den Spielern die geforderte Gegenleistung in Form von Titeln postwendend geliefert wird, dabei aber vergessend, dass der Käfig nicht das ist, was ein Spieler zum Erfolg und ein Kind zum Glücklichsein braucht. Das Gold am Kinderwagen ist – wie wir alle seit Asterix (Band I, „Asterix, der Gallier“) wissen – wie die Erdbeeren im Zaubertrank. Der Trank schmeckt nur besser; brauchen tut man die Erdbeeren nicht. Ich denke, dass alle diese kleinen Dinge zwar nicht Fußball spielen aber immer irgendwie das Spiel beeinflussen, vielleicht mehr als wir meinen.

Gold spielt nicht Fußball

Die Sensationssaison 1995/96 fand vor dem Hintergrund einer Finanzkrise statt, es gab kein neues Stadion und dennoch wurde Rapid-Geschichte geschrieben. Auch die Qualifikationserfolge gegen Aston-Villa wurden ganz ohne Erdbeeren errungen. So, als wäre das neue Stadion nicht genug der Verbesserungen, nein, man musste auch noch an der Trainerfront aktiv werden, um nur ja alles im Sinne eines „goldenen Kinderwagens“ herzurichten; und das Kind hat es uns nicht gedankt, das undankbare; weil es eben keines goldenen Käfigs braucht, um Erfolg zu haben aber sehr wohl eines guten Einvernehmens mit allen Beteiligten. Es waren einfach zu viele Störfaktoren in diesem Jahr 2016 da, die unseren Erfolg beeinträchtigt haben und es wird eine Weile dauern, bis die Spieler wieder in die Spur finden.

Schuldgesellschaft

Und genau genommen ist es auch schwer, überhaupt einen Schuldigen zu benennen wie es zum Beispiel unser Goleador gerne in seiner Zeitungskolumne tut, wenn er in Richtung „der Funktionäre“ und auch Trainer polemisiert. Denn die getroffenen Entscheidungen für sich allein betrachtet, haben durchaus ihre vernünftigen Gründe, die aber das sensible Gefüge des Teams so beeinträchtigt haben könnten, dass man derzeit nicht mehr als ein solides Fußballhandwerk zustande bringt. Das Spiel ist nicht so schlecht aber es reich (noch) nicht für Siege. Abgesehen von Superprofis des höchsten Spielniveaus in Europa sind wir mit Rapid im fußballerischen Mittelbau mit vielen sehr jungen Spielern viel sensibler bezüglich aller dieser Einflussfaktoren. Ich habe den Eindruck, als wären die letzten Spiele (und überhaupt „Erfolg“) geradezu ein Gradmesser für das Gesamtbefinden des Pakets Team-Verein-Anhänger. Der Trainer kann sich noch so anstrengen; wenn das Unbehagen von anderswo her kommt, dann muss man diese Ursache, die vielleicht gar nicht im Fußballerischen liegt, beseitigen – oder Gras drüber wachsen lassen. Aber natürlich weiß niemand genau, was das ist. Vielleicht sind es ja auch nur die Luftballons und die Schaumbecher. Geduld muss man eben haben, wie der Trainer sagt.

Was, wenn es einfach Zufall ist?

Wir lehnen den Zufall im Grunde ab; insbesondere das Pech; das Glück, das geht ja gerade noch. Allerdings müssen wir immer bedenken, dass Glück des Einen immer Pech für den anderen (meist für alle anderen) bedeutet. Pech ist die Regel, Glück die Ausnahme. Wir wollen ein geregeltes, ein vorhersagbares Leben. Wenn wir uns morgen in der Rekordmeisterbar treffen, dann ist das ein Ereignis, das mit großer Sicherheit keine Überraschungen bieten wird. Zu groß ist die Routine von Andy und zu perfekt ist alles ausgeklügelt. Was uns im Alltag fehlt, ist der Kick, das Abenteuer! Und nur wenige können die Zeit und auch den Mut erübrigen, sich auf Abenteuer einzulassen. Denn Abenteuer haben es so an sich, dass sie auch ein mehr oder weniger großes Risiko mit sich bringen. Und genau dazu haben wir den Fußball. Das Abenteuer, das wir selbst nicht eingehen können, bestehen unsere Spieler und Trainer Woche für Woche für uns. Und auch sie tun es nicht mehr wie im alten Rom. Niemand stirbt mehr im Kampf. Und dennoch gibt es die kleinen Tode, in Form eines Gegentors, einer Niederlage oder gar einem Abstieg. Aber dieser Kick besteht im Unbekannten und in der Möglichkeit einer Niederlage; auch von vielen Niederlagen.

Enormer Druck

Ich empfinde, dass insgesamt dieser enorme Erwartungsdruck, der gerade im letzten Jahr von uns allen aufgebaut wurde, die eigentliche Ursache für unser heuriges Scheitern ist. Dazu möchte ich noch so einen „Schaumbecher“ nennen: Die Rekordmeister-Bar. Auch so ein Begriff, der keine Tore schießt, der aber die Akteure durchaus belasten kann. Vor dem Hintergrund dieses Begriffs „Rekordmeister“, erscheinen die Ergebnisse der letzten Jahrzehnte ziemlich dürftig und es besteht ein eher krasser Widerspruch zwischen diesem Begriff, und der Realität. Gregor hat gemeint, dass uns eine europacup-freie Saison gut tun würde, um ein stabiles und schlagkräftige Team zu formen. Die Vision „Top-50“ kann man gleich für die nächsten 5 Jahre begraben, denn sie wäre nur realistisch, wenn wir auch kontinuierlich punkten. Vielleicht braucht es aber wirklich eine entspannte Phase, in der die Aufmerksamkeit der Medien anderswo den Druck aufbaut, dem Rapid derzeit dauernd unterliegt und in der sich die Mannschaft entwickeln kann.

Fußball ist Zufall – auf hohem Niveau

Unser Trainer und auch der Sportdirektor hören sowas nicht gerne, denn wer will schon, dass seine Arbeit nicht durch eigene Leistung sondern durch Zufall bewertet wird. (Und trotzdem trifft das für uns alle zu.) Aber es kann auch sein, dass alles, was wir erleben, mit all dem vorher Gesagten nichts oder nur wenig zu tun hat und tatsächlich nichts anderes als reiner Zufall – auf hohem Niveau – ist. Eine so geringe Punktezahl wie wir heuer zustande bringen ist zwar eine ganz neue Erfahrung aber Zufall kann auch das, und für ihn ist das keineswegs etwas Besonderes; nur für uns. Mit „hohem Niveau“ ist gemeint, dass natürlich nicht egal ist, wie eine Mannschaft zusammengesetzt ist, wie sie trainiert, wie die Kondition ist usw. Aber diese Voraussetzungen bringen alle Teams der Bundesliga mit und wenn man dann eine konkrete Begegnung betrachtet, sieht man, dass auch alle unsere Gegner gut gearbeitet haben, nicht nur wir selbst. Und da Fußballergebnisse äußerst knapp sind, und darüber hinaus von geradezu unglaublichen Zufällen begleitet sind, muss man damit zurecht kommen, dass der Wunsch, dass die bessere Mannschaft gewinnen möge, eben nur ein Wunsch ist. Unsere Situation ist die eines Roulettespielers an einem Spieltisch mit hohen Einsätzen, der nach einer langen Serie von „Noir“ meint, dass ja endlich „Rouge“ kommen müsste, auf das er ständig setzt, doch der Zufall kann unerbittlich sein, denn was wir gerne übersehen ist, dass reiner Zufall kein Gedächtnis hat und jeder neue Versuch, jedes neue Spiel von der Vorgeschichte unabhängig ist. Das ist zwar beim Fußball nicht ganz so, denn die Vorgeschichte kann niemand von uns ausblenden; aber wenn Erfolg oder Misserfolg von oft nur wenigen Zentimetern abhängen, von denen wir nun wirklich nicht wissen, woher sie kommen oder warum sie fehlen, dann manifestiert sich in diesen Szenen der Umstand, dass im Fußball der Zufall regiert. Und wenn jemand behauptet, man könne den Zufall „biegen“, dann irrt er. Leider. Denn es ist eben das Wesen dieser Unwägbarkeiten, dass sie nicht in unserer Macht liegen. Das Tor zum 6:1 von Barcelona hätte genau so gut nicht fallen müssen, so wie auch der Ausgleich im letzten Derby. Auch wenn wir die Gründe dazu genau kennen, wissen wir, dass alle diese Geschichten auch hätten ganz anders ausgehen können. Zur Ehrenrettung der sportlich Verantwortlichen muss man ergänzen, dass man – um am Roulette-Tisch des Spitzenfußballs mitspielen zu können – einen enormen Aufwand betreiben muss, und Rahmenbedingungen schaffen muss, etwas, was die Wahrscheinlichkeit für Erfolg steigert; aber nur die Wahrscheinlichkeit, denn die „Wahrheit am Platz“ wird durch Dinge gesteuert, die nicht in unserer Macht liegen.
Leider passieren zu nächtlicher Stunde immer wieder Müdigkeitsfehler, auf die aufmerksame Leser freundlich hinweisen. Etwa wurde beim Sturm-Spiel das Ergebnis falsch angeschrieben und wurde statt „Kuen“ „Klien“ geschrieben. Beides ist in der Webversion korrigiert, leider aber nicht im Newsletter.

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